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Relevanz: Rangeleien


Eine Rangfolge ordnet eine Menge von Elementen nach den Werten einer Kennzahl. Falls mehrere Kennzahlgrößen vorliegen, können auf der gegebenen Menge konkurrierende Ordnungen entstehen. Kann eine Meta-Rangfolge konstruiert werden, die die einzelnen Rangfolgen fair berücksichtigt?

Der Vertriebsleiter der Chair AG möchte vier Kunden nach ihrer Relevanz ordnen. Er hat sich Umsatz, Anzahl der Mitarbeiter, Entfernung zum Standort und die persönliche Chemie zum Ansprechpartner (auf einer Skala von 1 bis 10 als dem besten Wert) als entscheidende Kriterien ausgesucht. Die folgende Tabelle zeigt die erhaltenen Werte.

Die Angaben über die Kunden
Die Angaben über die vier Kunden

Für jede Kennzahl lässt sich eine Rangfolge berechnen (bei der Entfernung werden niedrige Werte bevorzugt!) und die Ränge können in den Spalten der folgenden Tabelle abgelesen werden:

Die erhaltenen Ränge
Die erhaltenen Ränge für jede Kennzahl

Wie sollten nun die Kunden angeordnet werden, wenn alle Kennzahlen auf einmal berücksichtigt werden? Alle vier Kriterien sollen gleichberechtigt eingehen.

Bemerkung: Hier hat jede Kennzahl ihre eigene Einheit. Einfacher wäre es zum Beispiel, wenn die Kennzahlen aggregiert werden könnten. Vier Rangfolgen über die Umsätze von Produkten in den Verkaufsregionen Nord, Süd, West und Ost ließen sich bspw. am einfachsten durch Betrachtung des Gesamtumsatzes in eine einzige Rangfolge überführen. Einfach ist es auch, wenn alle Rangfolgen identisch sind. Wir betrachten deshalb den interessanteren Fall, bei dem sich die Rangfolgen unterscheiden und die zugehörigen Kennzahlen nicht aggregiert werden können.

Unser Vertriebsleiter geht nun so vor, dass er immer zwei Kunden bzgl. ihrer relativen Anordnung vergleicht.

Kunde A erzielt mehr Umsatz als B, hat mehr Mitarbeiter und liegt näher. Nur die Chemie zum Kunden B wäre besser, aber bei 3 von 4 Kriterien liegt A vorn, und deshalb ist schon einmal klar, dass “A>B” gelten muss, wobei das “>” bedeuten soll, dass die Relevanz von A über der von B liegt. Beim Vergleich von B und C wird deutlich, dass beide Kunden in jeweils 2 Kriterien dem anderen vorzuziehen sind, also insgesamt Gleichstand zu beobachten ist. Kunde C erzielt im Vergleich zu D mehr Umsatz, hat mehr Mitarbeiter und es herrscht die bessere Chemie. Insgesamt ergibt sich für den Vertriebsleiter die folgende Reihenfolge: A>B=C>D. War doch gar nicht so schwer!

Zufrieden lehnt sich der Vertriebsleiter zurück und nur der Form halber möchte er wissen, wie der beste Kunde A im direkten Vergleich mit dem letzten Kunden D abschneidet. Verwundert stellt er fest, dass Kunde A im Vergleich zu D zwar mehr Umsatz erzielt, aber in den anderen drei Rubriken den Kürzeren zieht: D hat mehr Mitarbeiter, liegt näher und die persönliche Chemie ist auch besser. Es gilt somit A>B=C>D>A. Der Vertriebsleiter hat nun anhand des konkreten Beispiels lernen müssen, dass hier der paarweise Vergleich irritierenderweise keine transitive Ordnung erzeugt. Gilt “X>Y” und gilt “Y>Z”, so folgt nicht zwingend “X>Z”.

Eine Möglichkeit, diesem Dilemma zu entgehen, besteht in der Summenbildung der Einzelränge:

Reihenfolge nach Summe der Einzelränge
Die Reihenfolge nach der Summe der Einzelränge

Kunde C führt nun vor den gleichberechtigten A und D die Meta-Rangfolge an, mit B als Schlusslicht.

Obwohl dies hier im vorliegenden Fall eine angemessene Vorgehensweise ist, kann es Situationen geben, bei denen dieser Ansatz Raum für Manipulationen bietet. Speziell wenn die Rangliste nicht auf objektiven Werten beruht, sondern aus einer subjektiven Anordnung entstanden ist, treten Probleme auf. Nehmen wir bspw. an, dass eine Stelle besetzt werden soll und die Entscheidungsträger P1, P2 und P3 den Kandidaten A bevorzugen, während P4 und P5 lieber den Kandidaten B auf dem Posten sehen würden.

Kandidat A hat drei Fürsprecher, Kandidat B nur zwei
Kandidat A hat drei Fürsprecher, Kandidat B nur zwei.

Die Rangsumme für A ist 1+1+1+2+2=7 und für B ist dieser Wert 2+2+2+1+1=8, also würde wie erwartet Kandidat A eingestellt werden. P4 und P5 wollen sich mit diesem Resultat nicht abfinden und zaubern den Kandidaten C aus dem Hut, der aber A und B nicht das Wasser reichen kann. Bei ehrlicher Wertung ergäbe sich das folgende Resultat:

Ergebnis bei ehrlicher Stimmabgabe
Wie das Ergebnis bei ehrlicher Stimmabgabe aussähe

Die Rangsummen für A und B haben sich nicht verändert und A würde weiterhin mit dem niedrigeren Wert 7 eingestellt werden. P4 und P5 hätten aber gerne ihren Kandidaten B auf dem Posten und verschieben A absichtlich auf die letzte Position:

Das manipulierte Ergebnis
Das manipulierte Ergebnis

Nun beträgt die Summe für A auf einmal 9 und für B bleibt der Wert 8 unverändert. B wird eingestellt.

Die folgenden Minimalanforderungen an die Bildung einer Meta-Rangfolge erscheinen sinnvoll, um derartige Manipulationen ausschließen zu können:

  • Steht in jeder Rangfolge das Element X vor Y, dann soll dies auch für die Meta-Rangfolge gelten.
  • Die relative Anordnung der Elemente X und Y in der Meta-Rangfolge soll nur von der relativen Anordnung der Elemente X und Y in den einzelnen Rangfolgen abhängen.

Die erste Bedingung ist vollkommen natürlich: Sind sich alle Rangfolgen bzgl. der Anordnung zweier Elemente einig, so ergibt sich diese Anordnung auch für die Meta-Rangfolge. Die zweite Bedingung soll Manipulationen verhindern, da die Positionierung der anderen Elemente keinen Einfluss darauf haben soll, wie X und Y zueinander angeordnet werden. Wir hatten eben gesehen, dass die Rangsumme zwar die erste, aber nicht die zweite Bedingung erfüllt: Bei Anwendung der Rangsumme vertauscht der zusätzlich eingefügte Kandidat C die Plätze von A und B, obwohl sich die relative Anordnung von A und B bei keinem der fünf Entscheidungsträger verändert hat. Wie müssen also Meta-Rangfolgen gebildet werden, die Manipulationen durch willkürliche Positionierung anderer Elemente ausschließen?

Bitte sammeln Sie sich, bevor Sie weiterlesen.

Das niederschmetternde Ergebnis, das als Arrow-Paradoxon bekannt ist, besagt, dass bei 3 oder mehr Elementen diese Bedingungen nur erfüllt werden können, wenn eine ausgewählte Rangfolge die Rolle der Meta-Rangfolge übernimmt. D.h. bei der Personalwahl muss es einen Diktator geben, dessen Rangfolge maßgebend ist; bei jeder anderen Art, eine Meta-Rangfolge zu bilden, ist mindestens eine der zwei Bedingungen nicht erfüllt! Es gibt somit keine manipulationsfreie Methode im obigen Sinne, eine Meta-Rangfolge zu erstellen, bei der jede einzelne Rangfolge einen messbaren Einfluss besitzt.

Bemerkung: Übrigens benutzen wir dieses Diktatorprinzip in DeltaMaster bei der Bewegungsanalyse. Die Reihenfolge der Objekte ist durch die Rangfolge zum Startzeitpunkt gegeben, die hier somit den Part des Diktators übernimmt.

Für das Beispiel des Vertriebsleiters geht die Summenbildung in Ordnung, da die ersten drei Rangfolgen auf objektiven Daten beruhen und wir zu seinen Gunsten annehmen, dass die Chemie zum Kunden nach bestem Wissen und Gewissen eingeschätzt wurde. Beim Beispiel mit der Personalbesetzung müssen wir hingegen auf ehrliche Bewertungen hoffen.

Literaturtipp: David Easley and Jon Kleinberg: Networks, Crowds and Markets – Reasoning about a highly connected world, Cambridge University Press, 2010. Kapitel 23 “Voting” diente als Inspiration für diesen Blogbeitrag.